Es ist eigentlich gut und wichtig, dass wir ausgewogen und natürlich schwitzen. Dann verdunstet der Schweiß auf unserer Haut, und der Körper wird, analog zu einer Klimaanlage, gekühlt. Schwitzen ist eine lebenswichtige Funktion. So wird unser Körper vor einer gefährlichen Überhitzung geschützt. Doch geraten die Schweißdrüsen aus dem Gleichgewicht, wird es unangenehm.
Eine Überfunktion wird als Hyperhidrose bezeichnet. Dann wird das Schwitzen zum Dauerzustand und die Betroffenen leiden erheblich unter ihren Feuchtgebieten.
In einem Interview sprechen wir mit Prof. Dr. Raulin, Experte für Hyperhidrose und Facharzt für Dermatologie, Allergologie und Venenheilkunde über dieses Thema, welches gerade jetzt im Frühling und Sommer wieder viele Patienten und Leser beschäftigt.
Was sind die Ursachen des übermäßigen Schwitzens?
Prof. Dr. Raulin: Die Haut verfügt über zwei bis drei Millionen Schweißdrüsen. Diese sind insbesondere an den Handflächen, Fußsohlen und den Achselhöhlen zu finden. Produzieren diese übermäßig viel Schweiß, kann das verschiedene Ursachen haben. Vielfach ist es vererbt, wie stark wir schwitzen. Der eigentliche Schweißausbruch selbst kann jedoch individuell unterschiedliche Auslöser haben.
Insbesondere regt körperliche Betätigung den Schweißfluss an. Auch fettleibige Menschen neigen zu verstärktem Schwitzen, ebenso der Verzehr bestimmter Nahrungsmittel, wie beispielsweise scharfe Gewürze kann Schwitzattacken auslösen. Frauen leiden meist in den Wechseljahren unter störenden Schwitzattacken. Eine Schilddrüsenüberfunktion kommt ebenfalls als Auslöser in Frage. Aber auch Stress und Angst können zu Schweißattacken führen.
Wo sind die Feuchtgebiete?
Die Stelle, an der die Menschen am meisten schwitzen, sind die Achselhöhlen. Schwitzt der gesamte Körper, ist das meist erblich bedingt oder es liegt in seltenen Fällen eine innere Erkrankung vor. Man spricht dann von einer generalisierten Hyperhidrose. Auch Frauen in den Wechseljahren sind vielfach davon betroffen. Aber auch Hände, Füße sowie der Kopf zählen zu den typischen Problemzonen. Einige Betroffene schwitzen nur selektiv vermehrt an Rücken, Brust und Po. Etwa zehn Prozent der mitteleuropäischen Bevölkerung haben ein Problem mit einer zu starken Schweißbildung, 20 Prozent fühlen sich durch das übermäßige Schwitzen nachhaltig in der Lebensqualität beeinträchtigt. Hier sind die Antiperspirantien das Mittel der Wahl.
Was sind Antiperspirantien?
Nur Antiperspirantien regulieren den übermäßigen störenden Schweißstrom. Wer auf trockene Körperbereiche Wert legt, sollte auf schweißregulierende, sogenannte Antiperspirantien, mit dem Wirkstoff Aluminiumchlorid zurückgreifen. Empfehlenswert sind allerdings nur Produkte, bei denen der Anteil der Aluminiumsalze unter 15 Prozent liegt.
Zudem sollten sie weder Duft-, Farb- noch Konservierungsstoffe enthalten. Eine Empfehlung ist z.B. das von mir entwickelte Premiumprodukt Sweat-off, welches in mehreren wissenschaftlichen Studien an der Universität Hamburg von Frau Prof. Dr. Kerscher im Institut für Kosmetikwissenschaften intensiv auf Verträglichkeit und Effektivität getestet wurde. Eine hochaktuelle und außerordentlich innovative Neuentwicklung bei den Antiperspirantien ist die Entwicklung einer Wirksubstanz, die das Chlorid durch Milchsäure substituiert hat. Dieses zeichnet sich durch diesen völlig neuen Wirkkomplex aus Aluminiumlaktat, unterstützt durch verschiedene Pflanzenextrakten, aus.
Auf der Haut kommt es dadurch nicht mehr zu einer Aluminiumchlorid-induzierten Übersäuerung, was ursächlich für die oft beschriebenen Hautirritationen war. Der Wirkstoff Aluminiumlaktat ist dennoch hinsichtlich der Wirkung vergleichbar effektiv und vermindert das Schwitzen nachhaltig. Der begleitende Bio-Kamillenextrakt zeigt zusätzlich eine hautberuhigende Wirkung durch Bisabolol, Chamazulen und Flavonoide. Die schweißhemmende Wirkung wird auf natürliche Weise durch Salbei-Extrakt und Tannine unterstützt. Der Mangostan-Extrakt hat eine starke Wirkung gegen Bakterien.
Bakterien sind der Hauptgrund für die Bildung von Schweißgeruch. Dieser Wirkkomplex aus Aluminiumlaktat, Bio-Kamillen-, Salbei- und Mangostanextrakt sorgen für ein exzellent hautverträgliches Deoprodukt, mit der Effektivität von herkömmlichen halogenierten Salzen. Aktuell laufen hierzu eine Promotionsarbeit sowie verschiedene wissenschaftliche Studien.
Sind Aluminiumsalze unbedenklich?
Aufgrund der wissenschaftlichen Datenlage ist man mit einer einmaligen Anwendung am Tag absolut auf der sicheren Seite. Wichtig ist, dass man das Antiperspirant nicht auf die frisch rasierte Haut aufträgt. Am besten wendet man es abends vor dem Schlafengehen an, dann gelangt der Wirkstoff am besten an die Wurzeln der Schweißproduktion. Mit der Zeit reguliert der Körper dann die Schweißproduktion , sodass der Wirkstoff nur noch selten verwendet werden müsse. Über 95 Prozent unserer Patienten werden mit dieser Behandlungsmethode beschwerdefrei und damit glücklich.
Produkte mit Aluminiumchlorid können an so ziemlich allen Körperstellen angewendet werden, die von der störenden Feuchtigkeitsneigung betroffen sind.
Die Aufnahme von Aluminiumchlorid über die Haut ist außerordentlich gering, wie eine Studie belegt, die bislang als einzige am Menschen und nicht im Reagenzglas durchgeführt wurde. Bei sachgerechter Anwendung tragen Antiperpirantien daher nur einen kleinen Prozentsatz zur Aluminiumaufnahme bei, die täglich über die Nahrung oder Trinkwasser absorbiert wird.
Analysen des Bundesinstituts für Risikobewertung haben ergeben, dass es keine wissenschaftlich gesicherten Zusammenhänge zwischen aluminiumhaltigen Antiperspirantien und Brustkrebs oder der Alzheimer-Erkrankung gibt. Die Panikmache vor aluminiumchloridhaltigen Präparaten bei normaler Anwendung ist völlig unbegründet und gegenüber den Betroffenen extrem unfair und ungerecht.
Die Bundesärztekammer hat ganz klar eine offizielle Entwarnung vor der Aluminiumchloridhysterie im Deutschen Ärzteblatt publiziert. Die neuen aktuellen Leitlinien zur Hyperhidrosis, die im Heft 7 / 2018 des JDDG veröffentlich werden, führen explizit die aluminiumhaltigen Antiperspirantien an erster Stelle in der Therapieskala bei verstärktem axillären Schwitzen auf.
Was tun bei tropfnassen Händen und Füßen?
Bei tropfnassen Handflächen und Fußsohlen versagt allerdings die Wirkung von Aluminiumchlorid. Doch davon sind zum Glück nur vergleichsweise wenige Menschen betroffen. Einige Patienten haben allerdings so stark mit nassen Händen zu kämpfen, dass der Schweiß innerhalb von Sekunden von den Händen tropft. Der Leidensdruck ist enorm. Die Behandlungsmethode der Wahl mit niedrig dosiertem Gleichstrom nennt sich Leitungswasser-Iontophorese. Hände und Füße werden für 20 Minuten in ein Wasserbad getaucht, durch das Strom fließt. Die Anwendung muss allerdings dauerhaft erfolgen.
Was ist mit Botox?
Auch Botulinum A, umgangssprachlich unter dem Begriff Botox© bekannt, wird gegen übermäßige Schweißausschüttung eingesetzt. Botulinum A hemmt die Signalübertragung von den Nervenzellen. Die Wirkung hält ungefähr sechs Monate an und die Behandlung kostet etwa 700 bis 1000 Euro. Wer sich für Botulinum A entscheidet, sollte die Behandlung nur bei einem Experten durchführen lassen.
Was ist mit operativen Möglichkeiten?
Eine weitere Behandlungsoption ist, die Schweißdrüsen mit Hilfe eines Lasers oder Radiofrequenz entfernen zu lassen. Alternativ können die Drüsen auch mit einem Skalpell weggeschnitten oder mittels einer Saugnadel abgesaugt werden. Doch hierbei können kleine Narben zurückbleiben und es ist bei weitem nicht garantiert, dass der Betroffene nach dem Eingriff auch wirklich beschwerdefrei oder das Ergebnis dauerhaft ist. Zudem kann der Körper mit der vermehrten Schweißproduktion auf andere Regionen ausweichen und dann an anderer Stelle vermehrt schwitzen.
Prof. Dr. med. Christian Raulin, ausgebildet zum Facharzt für Dermatologie, Allergologie und Venenheilkunde an der Universitäts-Hautklinik in Heidelberg, gilt als einer der Vorreiter in der ästhetisch-chirurgischen Medizin.